Flexibilisierung und Digitalisierung im Energiemarkt
15.10.2024
4 min
Die Energiewirtschaft befindet sich in einer der größten Umbruchphasen ihrer Geschichte. Steigende Nachfrage nach erneuerbaren Energien, technologische Innovationen und politische Vorgaben erfordern ein Umdenken und eine Neuausrichtung der gesamten Branche. In diesem Interview spricht unser Geschäftsführer Mario Weißensteiner über die Herausforderungen und Chancen der Energiewende.
Wie sieht die Zukunft der Energieversorgung aus? Welche Rolle spielen innovative Technologien wie Wasserstoff und Smart Grids? Und wie können Unternehmen den wachsenden Anforderungen an Nachhaltigkeit gerecht werden?
Antworten auf diese und viele weitere Fragen gibt es im Gespräch.
Der Energiemarkt ist aktuell starken Veränderungen unterworfen. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Trends, welche die Energiewirtschaft in den nächsten Jahren prägen werden?
Mario Weißensteiner: Es gibt mehrere bedeutende Trends, die die Energiewirtschaft prägen werden. Einer der wichtigsten ist die Dezentralisierung der Energieproduktion, bei der immer mehr Haushalte und Unternehmen ihren eigenen Strom erzeugen, insbesondere durch erneuerbare Energien wie Solar- oder Windkraft.
Der Ausbau erneuerbarer Energien wird weiterhin stark vorangetrieben, was wiederum die zunehmende Elektrifizierung von Mobilität und Industrie unterstützt. Gleichzeitig wird der Strommarkt flexibler, insbesondere durch dynamische Strom- und Netztarife, die den Verbrauch an den Energiebedarf anpassen sollen. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind ESG-Kriterien, die für Investoren und Unternehmen immer zentraler werden. Die Neuerungen in den EU-Richtlinien CSRD und CSDDD zwingen Unternehmen dazu, sich nachhaltiger aufzustellen und über ihre Aktivitäten transparenter zu berichten.
Die Energiewende setzt stark auf erneuerbare Energien. Welche technologischen Innovationen halten Sie für besonders vielversprechend, um die Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu gewährleisten?
Mario Weißensteiner: Ich sehe große Fortschritte in der Speichertechnologie, insbesondere bei Batterien und Wasserstoff, als entscheidend an, um Schwankungen bei der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen auszugleichen.
Zudem spielen Smart Grids und digitale Steuerungssysteme eine wichtige Rolle. Diese Technologien ermöglichen eine effizientere Verteilung und Verwaltung von Strom.
Die Sektorenkopplung, also die Integration von Strom, Wärme und Verkehr, ist ein weiterer vielversprechender Ansatz, um die gesamte Energieinfrastruktur stabiler und nachhaltiger zu machen.
Wasserstoff wird oft als Schlüsseltechnologie der Zukunft bezeichnet. Wie schätzen Sie die Entwicklung und die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff im Energiemarkt ein?
Mario Weißensteiner: Wasserstoff hat großes Potenzial, insbesondere im industriellen Bereich und im Schwerlastverkehr. Grüner Wasserstoff könnte langfristig eine wichtige Rolle bei der Dekarbonisierung spielen.
Allerdings gibt es noch Herausforderungen bei den Kosten und dem Aufbau einer geeigneten Infrastruktur. Es ist entscheidend, hier weiter in Forschung und Entwicklung zu investieren, um den Wasserstoff als saubere und vielseitige Energiequelle zu etablieren.
Die Digitalisierung schreitet in vielen Branchen voran. Welche Rolle spielt die digitale Transformation im Energiesektor und wie könnte sie den Markt langfristig verändern?
Mario Weißensteiner: Die digitale Transformation hat enormes Potenzial, den Energiesektor effizienter und flexibler zu gestalten.
Mit der Einführung smarter Zähler und Echtzeit-Monitoring können wir den Energieverbrauch besser vorhersagen und steuern.
Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge bieten zudem Möglichkeiten, Netzsteuerung und Wartung zu optimieren.
All diese Entwicklungen werden es ermöglichen, flexiblere und automatisierte Lastmanagementsysteme zu etablieren, die den Strombedarf effizienter verteilen.
Mit der steigenden Nachfrage nach erneuerbaren Energien wächst auch die Bedeutung von Energiespeichern. Welche Fortschritte erwarten Sie hier bis 2030, um die Schwankungen bei erneuerbarer Energie besser auszugleichen?
Mario Weißensteiner: Ich erwarte, dass wir in den kommenden Jahren große Fortschritte bei der Entwicklung von Energiespeichern sehen werden.
Insbesondere Batteriespeicher werden immer leistungsfähiger und kosteneffizienter.
Diese Technologien, kombiniert mit flexiblem Lastmanagement, werden helfen, die Netzstabilität auch bei schwankender Energieeinspeisung aus erneuerbaren Quellen sicherzustellen.
Auch der Ausbau der Netzkapazitäten wird eine wichtige Rolle spielen.
Welche Herausforderungen sehen Sie im Hinblick auf den Netzausbau und die Integration dezentraler Energiequellen wie Solar- und Windkraft in bestehende Infrastrukturen?
Mario Weißensteiner: Der Netzausbau ist eine der zentralen Herausforderungen der Energiewende. Die Genehmigungsverfahren für neue Netze oder den Ausbau bestehender Infrastrukturen dauern oft zu lange, was den Fortschritt erheblich verzögert.
Zudem sind die Kosten für den Ausbau sehr hoch, besonders wenn es darum geht, dezentrale Energiequellen wie Solar- und Windkraft in das bestehende Netz zu integrieren.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, die Netzstabilität bei schwankender Einspeisung aus erneuerbaren Quellen zu gewährleisten. Hier brauchen wir dringend intelligente Steuerungssysteme, die den Stromfluss effizient managen und auf Schwankungen reagieren können.
Flexible Stromtarife und intelligente Netze sind entscheidende Faktoren, um den wachsenden Energiebedarf besser zu steuern. Welche Entwicklungen erwarten Sie in diesem Bereich in den kommenden Jahren?
Mario Weißensteiner: Ich erwarte, dass sich flexible Stromtarife, die den Verbrauch an den Strompreis und die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien anpassen, weiter verbreiten werden.
Smart Meter und digitale Plattformen werden dabei eine zentrale Rolle spielen, indem sie den Verbrauchern ermöglichen, ihren Energieverbrauch zu optimieren und so Kosten zu sparen. Wir werden auch verstärkte Investitionen in Smart Grid-Technologien sehen, die das Netz effizienter und robuster machen.
Gleichzeitig wird die dezentrale Energieerzeugung, also die Nutzung von Solar- und Windkraft durch Haushalte und Unternehmen, stärker in die Preisgestaltung einbezogen werden.
Die Nachfrage nach nachhaltigen Energielösungen steigt weltweit. Welche Maßnahmen sollten Energieversorger ergreifen, um sowohl wirtschaftlich zu wachsen als auch zur Reduzierung von CO₂-Emissionen beizutragen?
Mario Weißensteiner: Energieversorger sollten verstärkt in erneuerbare Energien und Energiespeicher investieren, um ihre CO₂-Bilanz zu verbessern.
Ein wichtiger Schritt ist auch der Ausbau von Power Purchase Agreements (PPAs), mit denen Unternehmen langfristig erneuerbaren Strom beziehen können.
Energieeffizienzmaßnahmen, zum Beispiel durch die Einführung von Smart-Home-Technologien, helfen dabei, den Energieverbrauch zu senken.
Darüber hinaus sollten klimaneutrale Geschäftsmodelle entwickelt werden. Die Einhaltung von ESG-Kriterien ist dabei essentiell, um Risiken zu minimieren und die Nachhaltigkeit zu verbessern. Schließlich erfordert die Berichterstattung nach CSRD-Richtlinien eine höhere Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeit und Umweltverantwortung.
Globale Krisen, wie etwa geopolitische Konflikte, haben oft große Auswirkungen auf die Energieversorgung. Wie sehen Sie die Rolle des Energiemarktes in solchen Situationen, insbesondere im Hinblick auf Versorgungssicherheit und Preisstabilität?
Mario Weißensteiner: Es ist entscheidend, nationale und regionale Energiequellen stärker zu fördern, um die Abhängigkeit von ausländischer Energie zu verringern.
Gleichzeitig muss die Diversifizierung der Lieferketten und Importländer vorangetrieben werden, um Preisschwankungen abzufedern.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Aufbau strategischer Reserven, die in Krisensituationen die Versorgungssicherheit gewährleisten können.
Flexiblere Preismodelle und Investitionen in resiliente Infrastrukturen sind ebenfalls notwendig, um in Krisenzeiten stabil zu bleiben.
Mit Blick auf die politischen Rahmenbedingungen: Welche politischen Entscheidungen oder Regulierungen könnten Ihrer Meinung nach den größten positiven Einfluss auf den Energiemarkt und die Energiewende haben?
Mario Weißensteiner: Zunächst einmal müssen die Genehmigungsverfahren für erneuerbare Projekte endlich beschleunigt werden, damit wir schneller auf grüne Energien umstellen können. Eine stärkere CO₂-Bepreisung und die Förderung von grünen Technologien sind ebenfalls entscheidende Hebel.
Gleichzeitig braucht es mehr Unterstützung für Forschung und Innovation im Energiesektor, um neue Lösungen schneller marktreif zu machen.
Auch eine klare Regulierung für Energiespeicher und der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur sind dringend erforderlich. Schließlich werden die Verpflichtungen zur ESG-Berichterstattung und die Einführung von CSDDD dazu beitragen, dass Unternehmen nachhaltiger agieren und sich ihrer Verantwortung in der gesamten Wertschöpfungskette bewusst werden.